Autorin: Annemarie Golser, terzExpertin
Mittwochnachmittag in unserer Schul- und Gemeindebibliothek. In der Kinderecke die Jüngsten, ganz hingegeben ans Betrachten der Bilderbücher. Bei diesem Anblick wird mir warm ums Herz. Da wächst doch das zukünftige Leserpublikum heran!
Welche Auswahl treffen sie? Kann man ihren Geschmack steuern? In meiner Kindheit haben uns besorgte Eltern vor allem zu Lesestoff mit erzieherischem Wert hingeführt. Zu meinem Leidwesen findet mein jüngster Enkel wenig Gefallen an erbaulichen Geschichten und Illustrationen von lieblichen Figuren. Immerhin mag er Märchen, deren Grausamkeiten man eine reinigende Wirkung zuspricht, da ja das Gute immer siegt.
Die Auflageziffern der Verlage beweisen – leider – die seltsamen Vorlieben der Erwachsenen unserer Zeit. Es macht mich wütend und im Hinblick auf unsere Jugend auch traurig, dass das Niveau in unserer Gesellschaft offensichtlich immer tiefer sinkt und gar Perverses salonfähig wird. Suchen die Liebhaber solcher Lektüre, voll von blutrünstiger Gewalt und plumpem Sex, die brutale Realität? Sicher finden sie nicht jenen Reichtum, den mir die Bücher meiner Wahl liefern: Heimat, Sehnsucht, Friede, Freiheit, Heiterkeit, Seelenverwandtschaft, Zwiesprache, Schönheit, Geborgenheit, Schutz, Trost und durchaus auch fein angetönte Erotik.
„Schade, dass es schon zu Ende ist“. Wenn ich dieses Gefühl von Trauer empfinde, dann war das Buch lesenswert.
P.S.: Der gegenwärtige Renner „Shades of grey“ wird in unserer Bibliothek übrigens nicht geführt. Die Bibliothekarinnen haben den Mut zur Ethik.